In Tyrannos- Ein Plädoyer für einen freien Softwaremarkt

Jedem halbwegs kritischen Computerbenutzer wird bereits seine softwaremäßige Abängigkeit von einem weltumspannenden Softwareunternehmen mehr störend als angenehm aufgefallen sein. In diesem Pamphlet wird diesem Umstand durch die Analyse der bestehenden Situation genauer nachgegangen, ferner wie es zu einem derartigen Phänomen kommt, und worin dessen Ursachen liegen. Zum Schluß sollten alternative Möglichkeiten aufgezeigt werden

Die Freude an der Einheitlichkeit und der Hang zum Perfektionismus sind bei manchen Menschen - und seltsamer Weise auch bei faschistischen und totalitären Systemen - oft anzutreffende Eigenschaften. Diese stehen aber im Widerspruch zur Heterogenität in der Natur und zu den vielfältigen Bedürfnissen der Menschen. Dennoch kommt es in der Gesellschaft immer wieder vor, daß manche Strukturen den Versuch unternehmen, ein einheitliches System zu schaffen, dann aber doch an der Realität scheitern. Selbst ein Ausbildungsoffizier in einer Armee wird bei der Herstellung einer homogenen Soldatenmasse bedingt durch die Unterschiedlichkeit der Rekruten große Schwierigkeiten haben, da eben Uniformität an sich unnatürlich ist.

Etwas befremdlich mutet es dann an, wenn am Computermarkt in einer an und für sich demokratischen Gesellschaft freiwillig eine Art der Vereinheitlichung angestrebt wird, nämlich durch {\em eine} Softwarelösung als Segen für die ganze Welt. Bei einem demokratisch gesinnten Menschen müßten da die Alarmglocken läuten. Konzentriert sich da nicht zuviel Macht in einer Person, wodurch ein wesentliches demokratisches Prinzip verletzt wird? Warum unterwerfen sich soviele Computerbenutzer dem Diktat eines Unternehmens? Wie kann es geschehen, daß die Bedürfnisse der Benutzer am Computer durch eine allumfassende Software derart vereinheitlicht werden?

Man kann sich in Anbetracht der Vielfalt menschlicher Bedürfnisse leicht vorstellen, daß die Aufgabenstellungen im Bereich der Computeranwendungen ebenfalls sehr vielfältig sein werden, und auch spezielle Lösungen nach sich ziehen würden. Eine Gesamtlösung kann aber nur oberflächlich alle Bedürfnisse decken und müßte nämlich für den angestrebten Zweck äußerst komplex sein, sodaß sie letztendlich für einzelne Aufgaben wieder ungeeignet ist. Sie bietet dann für diese - in Anlehnung an Karl Kraus -- alles bisher Übertroffene. Hält man aber an ihr fest, so ist das Ergebnis hypertroph und schleppt bald viel Ballast mit sich. In einem natürlichen, evolutionären Umfeld müsste ein derartiges System wie ein Saurier aussterben.

Die Frage, die sich einem Benutzer stellt, ist, warum sich ein derartiges Produkt durchsetzen und sogar noch lange am Markt halten kann. Nun, alle Computerbenützer verwenden ein und dasselbe Produkt, da es ja alle anderen auch tun. Und leichtfertig unterwirft sich der Computerbenutzer mit Magenschmerzen dem Diktat eines Unternehmens durch sein resignie endes Verhalten: "Was soll ich denn als einzelner tun, wenn ich doch kompatibel bleiben will". Das Ergebnis dieses kleinmütigen Denkens ist eine positive Marktrückkopplung mit negativen Auswirkungen, da sie den Druck nach Kompatibilität wieder erhöht, womit sich der Kreis schließt. So wird alles mitgemacht, was von oben befohlen wird, angetrieben vom Mythos der Kompatibilität.

Nur was glaubt man mit der teuer erkauften Kompatibilität zu haben? Wenn ein Dokument oder irgend eine digitale Information auf einem bestimmten System mit einer bestimmten Software erstellt wird, wünscht man, daß es auf ein anderes übertragbar ist. Das heißt, daß Information über Systemgrenzen hinweg transportiert werden kann. Dafür gäbe es prinzipiell mehrere Möglichkeiten, wobei die triviale Lösung, nur ein System in Verwendung zu haben, in Anbetracht der Entwicklung nicht realistisch ist.

Die häufigste Variante ist die, daß ein Hersteller einer allumfassenden Software sein eigenes Format definiert, und dieses auch von Version zu Version und von System zu System ändert. Damit aber dann die gewünschte Kompatibilität möglich ist, gibt es Konvertierungsprogramme. Man muß dann ein Dokument, erstellt in einer bestimmten Version auf einem bestimmten Betriebssystem, in ein Paralllelsystem, aber anderer Versionsnummer des gleichen Programmes konvertieren, obwohl der Hersteller gleich ist. Man nimmt das gerne in Kauf, da man ja kompatibel sein will, und somit diesem Mythos noch unreflektiert Folge leistet, denn von Kompatibilität kann dann nicht mehr die Rede sein.

Eine weitere Möglichkeit ist, ein von allen Softwareherstellern auf einem internationalem Konsens beruhendes und akzeptiertes Format zu verwenden, entweder intern oder aber vor allem extern, als Schnittstelle zwischen verschiednenen Systemen. Information kann dann durch eine potente Sprache exportiert oder importiert werden, falls es notwendig ist, betriebsinterne Informationen nach außen zu tragen. Somit könnte jedes Unternehmen seine eigene Software entwickeln oder programmieren lassen, die auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Die Kompatibilität findet also an einer Schnittstelle statt, und nicht durch eine Software. Und die Schnittstelle ist aus enem demokratischen Prozeß hervorgegangen. Das Argument, man muß ja den Saurier verwenden, da alle anderen ihn auch angestellt haben, ist dann hinfällig.

Der Mythos der Kompatibilität ist aber sicherlich nicht die einzige Triebfeder eines monopolisierenden Prozesses, denn darunter liegt der nicht ausgesprochene Wunsch nach Einheitlichkeit, also nach Einfalt. Es ist nämlich immer leichter sich in einem homogenen Umfeld zu bewegen, als mit einer heterogenen Umwelt fertig zu werden. Das bedeutet, daß Bequemlichkeit, Hang zu totalitären Systemen und Dummheit sicher Faktoren solcher rückgekoppelter, ökonomischer Prozesse sind, mit denen sich auf jeden Fall gut verdienen läßt.

Nur welche Alternativen bieten sich an. Basierend auf dem Ansatz potenter Schnittstellen braucht es nur den Mut eines Unternehmens auch auf alternative Betriebssysteme oder Programme zu setzen. Zu sagen, man hat ja nichts tun können, war und ist immer eine bequeme, kleinmütige Ausrede. Denn solange es eine Möglichkeit gibt, digitale Daten an eine geeignete Schnittstelle zu exportieren, und von dort zu importieren, muß man keine Angst vor der Nicht- Kompatibilität haben. Für einen internen Datenfluß ist die Frage der Kompatibilität nach außen nicht von Bedeutung.

Ceterum censeo MIRCOSOFTem esse delendam.

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