Ein Modell für die politische Landschaft
in Österreich
Seit der französischen Revolution werden die politischen Lager
in den verschiedensten Staaten zwischen den Extermen "rechts" und
"links" linear auf einer Geraden in einem eindimensionalen Raum
aufgespannt. Zur Abbildung einer komplexen politischen Landschaft
in einem Staat ist diese Vorgehensweise aber äußerst
unzureichend. Aus diesem Grund wird in diesem Paper ein
mehrdimensionales Modell mit Hilfe einer Kugeloberfläche mit
zwei Polen und dazwischen laufenden Meridianen aufgestellt.
Dadurch gelingt es, die politischen Ideologien in einem Staat
gut zu modellieren, und ferner, das Handeln der politischen Personen
verständlich zu machen.
Einführung
Immer wieder tauchen in den Medien die Zuordnungen "links", "rechts",
"mitte links" etc. zu Personen oder Gruppierungen und Parteien auf.
Es soll dadurch in die politische Landschaft eine gewisse Ordnung gebracht
werden, die es dem Bürger erlaubt die transportierten Ideologien
einzuordnen. Je nach vorherrschender Ideologie ist das eine oder andere
Richtungsattribut mit mehr oder weniger positiven Assoziationen behaftet.
Auf jeden Fall wird diese Zuordnung von jedem benutzt, in welchen
Zusammenhang und mit welcher Intention auch immer. Die Begriffswelt von
"links" bis "rechts" ist mit einem Wort in den Köpfen aller politisch
halbwegs interessierten Menschen fest verankert.
Einem kritischen Geist wird es aber nicht verborgen bleiben, daß die
lineare Anordnung, dieses Auffädeln der politischen Ideologien auf
einer Geraden unzureichend ist. In einer Dimension zu denken ist doch ein
grober Reduktionismus an der politischen Wirklichkeit. Vor allem aber
fällt die unreflektierte Gewichtung in "gut" und "schlecht" für
das eine oder andere Extrem auf. Es drängt sich sozusagen eine Abbildung
auf ein mehrdimensionales Modell auf.
Das Modell
Ausgangspunkt für die Abbildung der politischen Landschaft eines
Staates auf ein mathematisches Modell ist eine Kugeloberfläche [Eine
Fläche hat bekanntlich zwei Freiheitsgrade (=Dimensionen), auch wenn
es sich um die Oberfläche eines dreidimensionalen Objektes, einer
Kugel, handelt. Durch eine geeignete Transformation ließe sich eine
solche nämlich leicht in ebene Fläche überführen und
vice versa.]. Die Lage der Kugel im Raum ist nicht von Bedeutung, ebenso wie
ihr Radius, da er auf eine beliebige Größe normiert werden kann.
Mit diesen Voraussetzungen hat die Kugeloberfläche selbst an sich keine
ausgezeichnete Punkte mit besonderen Eigenschaften. Würde man also
rein gedanklich auf einer solchen Oberfläche stehen, so könnte man
den eigenen Standpunkt als "Mittelpunkt" verstehen [So ist es verständlich,
daß sich in der Geschichte der Menschheit jede Hauptstadt eines Weltreiches
mit einer gewissen Berechtigung als "Mittelpunkt" der ihr bekannten Welt sah,
wenn man das jeweilige Weltbild miteinbezieht.]. Allerdings kann jeder
Oberflächenbewohner diese Forderung auch für sich
in Anspruch nehmen. Wie kann man der Kugeloberläche also ein
eindeutiges Koordinatensystem verleihen, um die Standpunkte zu ordnen?
Stellt man sich vor, daß sich die Kugel um eine Gerade durch ihren wahren
Mittelpunkt dreht, so ergibt sich eine Achse durch zwei gegenüberliegende
Punkte, die generell als Pole bezeichnet werden. Ob sich die Kugel wirklich
dreht, hat in der Folge keine weitere Bedeutung mehr, bleiben soll alleine
der Umstand, daß durch die Achse mit seinen Polen ein Polarkoordinatensystem
aufgestellt werden kann. In Anlehnung an die Geodäsie werden folgende
Elemente definiert:
Zwei gegenüberliegende Punkte, die Pole, die eine Achse erzeugen,
Meridiane, die die Pole entlang der Oberfläche auf kürzeste
Weise verbinden,
Breitenkreise, die die Lage zu den Polen definieren und in Ebenen
Normal zur Achse liegen.
Die Lage der Breitenkreise in Relation zu zumindestens einem der Pole kann
eindeutig festgelegt werden, die Lage der Meridiane zueinander ist zunächst
noch undefiniert. Das bedeutet daß kein Meridian einem anderen gegenüber
ausgezeichnet ist [ Daß durch den englichen Ort Greenwich der
Nullmeridian verläuft, ist historisch bedingt, wäre aber austauschbar.].
Diese Ambiguität soll aber auch für das politische Modell bewußt
beibehalten werden.
Es wurden topologisch die Voraussetzungen für das Kugeloberflächemodell
vorgestellt. Die Zuordnung zu politischen Systemen soll in der Folge genauer
erläutert werden.
Die Pole
Im normalen Sprachgebrauch formulieren Pole Gegensätze. Auch hier ist
das der Fall, den Nord- und Südpol sind Antipoden, auch wenn es auf beiden
sehr kalt und unwirtlich ist. Der assoziativen Wirkung von "Süd" und
"Nord" entsprechend [ Für den Autor erweckt der Gedanke an den
Süden das Gefühl der Wärme, Lebensfreude etc., wogegen der
Norden eher mit Kälte und Disziplin asssoziert wird. Natürlich ist das
aus einer euro-zentristischen Denkweise verständlich.], sind die
Polbezeichnungen mit ihren politischen Zuordnungen gewählt.
Der Nordpol, der totalitäre
Allen Menschen, denen Ordnung und Disziplin angenehme Begriffe sind, fühlen
sich auf diesem Pol zuhause. Denken muß der einzelen nicht viel, denn
Recht und Ordnung bestimmt das Tun des Einzelnen. Die Freiheit ist durch
ein bis ins letzte Detail ausgearbeites Rechtssystem auf ein mögliches
Minimum reduziert. Das System ist prädizierbar und handsam. Was nicht sein
kann, darf nicht sein. Schluß. Aus.
Der Südpol, der idealistische
Der Südpol bezeichnet den Pol, auf dem die Idealisten wohnen. Ob es als
Himmelreich auf Erden oder als klassenlose Gesellschaft bezeichnet wird, ist
nicht von belang. Dort wollen alle Menschen sein, dort zu wohnen ist aber
anstrengend, muß man sich doch dort ideal sozial verhalten. Das kann sehr
mühsam sein, denn es erfordert viel Selbstdisziplin und Härte zu sich
selbst, Verzicht und sicher auch andere Tugenden, die eher unangenehm sind.
Die Freiheit des einzelnen ergibt sich durch die Berührungspunkte zum
nächsten implizit und adaptiv [Robinson Crusoe ist nur sich selbst
verpflichtet, und das ist sogar anstrengend. Kommt ein Mensch dazu, schränkt
sich der eigene Aktionsradius ein. Und viele Menschen, die zusammenleben
wollen oder müssen, machen den Radius noch kleiner. Der Radius ist immer
der Situation anzupassen, zu adaptieren, und sollte aus einem tiefen
Verständnis für ein msnschliches Koexistieren kommen, deswegen implizit.].
Die Beschränkung kommt vom weitblickenden Verstand, und wird nicht
oktroyiert.
Die Meridiane
So wie in der Geographie verbinden Meridiane die beiden Pole. Dabei
wird ein Meridian auf der politischen Kugeloberfläche durch eine
"politische Richtung" bestimmt, die sich zumeist historisch ergibt.
Expemplarisch sollen nur drei vorgestellt werden.
Der christliche Meridian
In Österreich ist dieser Meridian durch die Dominanz der Katholiken
vorgegeben. Der Bogen spannt sich hier vom christlichen Idealisten
bis zum reaktionären Konservativen mit einem Hang zu Zucht und Ordnung.
So manchem Österreicher wird wahrscheinlich noch jetzt beim Gedanken
an die Dominanz der poltitisch gesehen nördlichen Implementierung dieses
Meridians übel. Undifferenziert ist es aber trotzdem, wenn Bewohner dieses
Meridians durch das automatische zugeordnete Attribut "rechts" gleich
mit "negativen" Assoziationen gestraft werden, obwohl auch dieser Meridian
seine idealistischen Wurzeln hätte.
Der sozialistsche Meridian
Ausgehend vom Manifest Karl Marxens, wurde ein eigener politischer
Meridian eröffnet, der aber in der Geschichte und in der Gegenwart
verschiedene Ausprägungen erhalten hat. Komisch mutet es aber an, wenn
im Moment dieser mit "links" apostrophierte Meridian selbstverständlich
positiv belegt ist. Nimmt man nämlich den Präfix "National" dazu und
rückt die Denkweise weiter in den politischen Norden, so wird auch ein
historisches Phänomen verständlicher. Auch sind zeitgenössische
Polititker dieses Meridians nicht davor gefeit nach Norden zu rücken.
Der liberale Meridian
Einen liberalen Meridian genauer einzugrenzen fällt etwas schwerer.
Bedenkt man aber die Entwicklung einer entsprechenden Partei, so sieht
man denoch, daß sich entlang dieses Meridians eine Spaltung zwischen
einem autoritären Lager gegen Norden, und einem idealistischen,
gesellschaftsliberalen Lager vollzogen hat. Der Kampf, allerdings,
zwischen diesem und einem wirtschaftlich orietiertem, das ebenfalls
gegen Norden konvergiert, wird aber dennoch bleiben.
Die Breitenkreise
Breiterkreise verbinden Punkte mit gleicher Höhe, d.h. stellen eine
Verbindungsebene zwischen verschiedenen Meridianen mit gleicher
gesellschaftlicher Ausprägung oder idealstischer Orientierung dar.
Es ist daher geradezu verständlich, daß innerhalb eines Breitenkreises
über die Meridiane hinweg Kommunikation möglich ist.
Der Äquator
In der ausgewogenen Umgebung in der Mitte zwischen den Extremen der Pole
ist die Entfernung zwischen den Meridianen auf der einen Seite am größten.
Auf der anderen, bedingt das moderate Klima des Äquators wieder breite
Verständigungsmöglichkeiten, da hier so manche Standpunkte durch
viel Wasser des Pragmatismus etwas aufgeweicht werden.
Nördliche Breitenkreise
Die nördliche Hemisphäre hat ihre Tendenz zum autoritären Nordpol
gemein, die quer über alle Meridiane eine Identität zu schaffen im
Stande ist. Es weht aber ein kalter Wind vom Norden.
Südliche Breitenkreise
Im Gegensatz zur nördlichen Hemisphäre, tendieren diese Träumer zum
Süden. Und gerade diese Tendenz ist ein guter Nährboden für eine
Bereitschaft zur Kommunikation über die Meridiangrenzen hinweg.
Conclusio
Durch ein mehrdimensionales Modell der politischen Landschaft eine Basis
für ein besseres Verständnis der politischen Lager und den Relationen
zueinander zu schaffen, war das Ziel dieser kleinen Abhandlung. Es konnte
mit einem Kugeloberflächenmodell gezeigt werden, daß sich politisches
Denken nicht in einer Geraden zwischen "links" und "rechts"
aufspannen läßt. Vielmehr meint man ein Süden-Norden-Denken, wenn man
von dieser Schere spricht, und zwar ein Denken, das sich zwischen
zwei Polen auf verschiedenen Meridianen, oder auch Ebenen, erstreckt.
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1999,
Peter Wurmsdobler.